Nachtlinsen unterscheiden sich in ihrer Funktion wesentlich von gewöhnlichen Kontaktlinsen: Denn während tagsüber eingesetzte Linsen nur während des Tragens zu einem verbesserten Sehvermögen verhelfen, bewirken Nachtlinsen durch die Verformung der Hornhaut eine Korrektur der Fehlsichtigkeit im Schlaf. Steht man morgens auf und nimmt die Linsen heraus, kann man im Idealfall mehrere Stunden scharf sehen und muss dazu weder eine Brille noch Kontaktlinsen tragen. Allerdings ist dieses Verfahren noch nicht vollständig erforscht und trägt neben seinen Vorteilen auch Risiken mit sich, denen sich Interessenten bewusst sein sollten.
Individuelle Anpassung und beschränkte Einsetzbarkeit
Bei der Nachtlinse, auch Ortho-K-Linse genannt, handelt es sich um eine harte Ausführung der Kontaktlinse, die vor ihrem Einsatz speziell auf die Bedürfnisse des Trägers entwickelt und geschliffen werden muss. Das Prinzip basiert dabei auf der Ausübung von Druck an bestimmten Stellen der Hornhaut; über mehrere Stunden verändert sich dadurch der Brechwert des Auges und die Fehlsichtigkeit wird solange unterdrückt, bis sich die Verformung wieder zurückentwickelt hat. Menschen mit Sehschwäche kennen dieses Prinzip möglicherweise aus dem Alltag: Drückt man die Augen seitlich leicht zusammen, verändert sich kurzzeitig die Sehstärke.
Für die Anpassung der Nachtlinse kommen nur Optiker infrage, die eine Schulung bezüglich des Einsatzes von Ortho-K-Linsen besucht haben. Sie sind in der Lage, zunächst die Eignung des Interessenten für die Behandlung mit Nachtlinsen festzustellen; in der Regel ist es nicht möglich, eine Kurzsichtigkeit von mehr als rund -5,0 Dioptrien sowie eine geringere Hornhautverkrümmung als etwa 1,5 Dioptrien zu korrigieren. Stärkere Korrekturen würden eine Gefahr für das Wohlbefinden der Augen darstellen.
Der Einsatz
Nachdem die Ausmessungen erfolgreich durchgeführt wurden, können die Linsen bestellt werden; meist handelt es sich um Packungen, die die Behandlung ein Jahr lang ermöglichen. Besonders zu Beginn des Einsatzes sollte man wissen, dass die volle Wirkung der Linsen erst nach etwa zwei bis vier Wochen eintritt, da bis dahin eine Eingewöhnung des Auges erfolgt. In dieser Phase ist es dementsprechend ratsam, den zusätzlichen Einsatz von Tageskontaktlinsen vorzunehmen. Zeichnet sich die Verwendung der Nachtlinsen später durch ein genügendes Maß an Stabilität aus, kann man mit einer 8 bis 16 Stunden währenden Wirkung rechnen.
Ebenso wie gewöhnliche Kontaktlinsen müssen in der Nacht getragene Linsen einer äußerst gründlichen Reinigung unterzogen werden, bevor sie in das Auge gesetzt werden; Keime oder Schmutz können erhebliche Schäden wie beispielsweise eine Entzündung im Auge bewirken. Denn während sich Schmutz bei Tageslinsen meist durch ein Jucken oder einen sonstigen Reiz äußert, werden Mängel während des Schlafes nur sehr selten bemerkt. Des Weiteren sollte man Nachtlinsen sicher und vor äußeren Einflüssen geschützt aufbewahren, da auf diese Weise einerseits einem teuren Verlust und andererseits einem unnötigen Verschmutzen vorgebeugt wird.
Die Risiken
Die vorübergehende Korrektur einer Fehlsichtigkeit durch Ortho-K-Linsen stellt ein recht neues und deshalb noch vergleichsweise wenig erforschtes Verfahren dar. Da die Hornhaut einer ständigen Verformung unterzogen wird, erfolgt während der Behandlung auch eine Veränderung des Augeninnendrucks. Dies ist im Alltag zwar unbedeutend, erschwert allerdings die Erkennung ernsthafter Augenerkrankungen wie beispielsweise dem grünen Star. Aber auch in alltäglichen Situationen kann die während des Tages stattfindende Rückformung der Hornhaut in ihre ursprüngliche Position problematisch sein, vor allem im Straßenverkehr oder während der Arbeit, falls diese ein hohes Maß an Sehleistung erfordert.
Da das Auge tagsüber weder zu einhundert Prozent scharf ist noch seine vollständige Fehlsichtigkeit entfaltet, gestaltet sich der Einsatz einer Brille zudem fast unmöglich, wenn man seine Sehstärke erhöhen möchte. Somit besteht eine gewisse Abhängigkeit von den Nachtlinsen. Außerdem müssen Interessenten der Ortho-K-Linse höhere Kosten als bei einer Brille oder tagsüber genutzten Kontaktlinsen einplanen, da zusätzlich zu den Linsen selbst auch spezielle Reinigungsmittel erworben werden müssen. Des Weiteren ist es ratsam, während der Behandlung regelmäßige Kontrollen beim Optiker durchführen zu lassen, die dauerhaft ebenfalls keine billige Angelegenheit darstellen. Die langfristigen Folgen in Bezug auf die Sauerstoffversorgung des Auges bedürfen zwar noch einer genauen Untersuchung, jedoch ist klar, dass die Nachtlinse eine Verringerung der Sauerstoffzufuhr bewirkt und dies bei empfindlichen Menschen zu einer Entzündung oder anderweitigen Schäden führen könnte.
Fazit
Wenn Sie eine Sehschwäche besitzen und an einem Alltag ohne Sehhilfen interessiert sind, stellt die Nachtlinse neben einer Operation eine der wenigen möglichen Lösungen dar. Von Spezialisten an Ihr Auge angepasst, bewirken Nachtlinsen über Nacht eine Veränderung der Hornhaut, die sich tagsüber durch ein erhöhtes Sehvermögen äußert. Allerdings sollte beachtet werden, dass sich diese Art der Behandlung nicht für Menschen mit einer schweren Kurzsichtigkeit eignet.
Die Anwendung der Nachtlinse zeichnet sich einerseits durch eine in den ersten Wochen langsam eintretende Wirkung aus und muss andererseits von einer äußerst gründlichen Pflege der Linse begleitet werden. Nur so kann der Entstehung von Erkrankungen am Auge vorgebeugt werden. Trotz der vielversprechenden Wirkung bleiben die Risiken nicht aus: Nachtlinsen können spätere Untersuchungen am Auge erschweren, beeinträchtigen aufgrund des langsamen Verlustes der Sehstärke über Tag möglicherweise den Alltag und führen eventuell auch zu einer verminderten Sauerstoffversorgung des Auges. Auch vergleichsweise hohe Kosten müssen von Interessenten einkalkuliert werden.